Eröffnung der Street-Art-Ausstellung im Landratsamt Borna, am 21.4. 2015

Liebe Kunstinteressierte.

Beim Vorbereiten meines Beitrages zur heutigen  Eröffnung  der Seehausausstellung – STREET ART – , und meinem nocheinmal Reflektieren was war, was abgelaufen ist, wurde mir   in aller Deutlichkeit bewusst, welch ungeheure Kraft, Ausstrahlung und  auch was für eine Motivation hinter diesen Bildern steckt, die wir ihnen heute präsentieren. Deshalb hole ich ein wenig weiter aus, nehme Sie mit hinein in die Gedankenwelt von STREET-ART, und  ich hoffe, Sie haben noch ein wenig Geduld zum Zuhören.

Was bedeutet STREET-ART ?

Street-Art ist  zunächst einmal eine Strassenkunst, die sich im öffentlichen Raum abspielt, also eine Kunst fürs Volk, für jeden von uns, sie kostet keinen Eintritt, und da sie in der Regel an Objekte, Wände, Gegenstände, gebunden ist, ist sie auch  nicht zum Verkaufen gedacht.

Von daher gesehen ist unsere Kunst heute am richtigen Platz angekommen. Herzlichen Dank dafür all denen, die diese Ausstellung möglich gemacht haben, und ein herzliches Willkommen und Ankommen in dieser Ausstellung.

Warum STREET ART, Strassenkunst im öffentlichen Raum? Ein wesentliches Ziel von STREET ART ist Kommunikation, zum Nachdenken anregen und auffordern, ja auch provozieren, durch ungewöhnliche Motive den Betrachter für neue Sichtweisen öffnen, mit dem Künstler, dem Macher, dem Produzenten  in einen Dialog zu treten.

Bei herkömmlichen Graffitis geht es  darum, den eigenen Namen mehr oder wenger kunstvoll zu verbreiten, ganz groß herauszubringen .

STREET ART will mehr. Mittels oft recht aufwendig hergestellten Schablonen, den sogenannten stencils, werden Botschaften z.B. an Wände gesprüht oder gemalt, in der Regel illegal, obwohl es durchaus auch genügend kreative Alternativen gibt, wie etwa  Moos -oder light graffitis , Adbusting, etc. Seit 2005 ist das übrigens keine Ordungswidrigkeit mehr sondern eine Straftat, auch wenn Aushängeschilder der Szene ,wie der Britte Banksy es längst in die Museen der Welt geschafft haben. Auch Leipzig wirbt in speziellen Reiseführern mit dem „Madonna mit Kind „ stencil, das der tagger Guru Blec Le Rat himself in der Karl-Liebknecht -Str -Nr7  einst  dort aufgesprüht hat.

Wie eine Leipziger Studie um Axel Philipps belegt, hat ungefähr die Hälfte aller stencils rein ästhetische Gründe, es werden z.B. Gänseblümchen, Einhörner dargestellt, man hat den Drang die Welt zu verschönern.

Übrigens genau solche Motive, von denen unsere Seehausjungs anfangs dachten, sie müssten so etwas zu Papier bringen, was  noch vor Beginn diesesProjektes nicht gerade Begeisterung auslöste.Die Begeisterung dann  aber sehr schnell Raum gewann, als die Jungs merkten, dass sie hier ihre ureigensten Ideen verwirklichen dürfen .Die Schablonentechnik, bei der mit zuvor selbstgemachter Photos Bilder mittels beamer  auf  Bildträger projeziert werden, eignet sich dazu besonders, denn man hat schnell ein realistisches Ergebnis, was dazu anreizt  ,dieses nun mit allem Einsatz von Geschick, Fleiß , Ausdauer und Durchhaltevermögen kreativ umzusetzen. Das  erfordert und fördert auch jede Menge Frustrationstoleranz , wenn etwas nicht  gleich so klappt , wie man es sich so  schön ausmalt.Die Jungs arbeiteten gern in Teams, auch arbeitsteilig, jeder konnte seine Stärken entdecken und  bewusst einsetzen und einbringen.

Ein weiteres Drittel  von  Strassenkunst dient offenbar dazu, wie beim herkömmlichen Graffiti , den Kunstnamen des Sprayers zu verbreiten,

Der Rest ist politisch, weltanschaulich, kritisch motiviert, z.B. Aufruf zu Demos, oder durch provokantes Fragen und ungewöhnliche Motivzusammenstellungen zum Nachdenken anzureizen.

Wenn sie nun gleich mit uns zusammen durch die Ausstellung gehen, wird ihnen auffallen, dass keine dieser Motivationen hier zum Tragen kommt , bzw dargestellt wird.

Ja! Die Bilder haben durchaus großen ästhetischen Reiz, sie sind kreativ, farbig ansprechend,freundlich, ja auch kunstvoll gearbeitet, schön. Aber sie sind  es nicht um ihrer selbst willen , es ist kein l´art pour lárt .

Und sie protzen auch nicht mit Kunstnamen , ja sie sind nicht einmal signiert.

Politische oder kritisierende Motive kann man auch nicht erkennen.Es sind auch keine nachgemalten Bilder wir , haben miteinander um Farben und Techniken gerungen , diskutiert , und uns ehrlich ausgetauscht.

Was wir  hier sehen , spiegelt uns, was diese Jugendlichen doch  offensichtlich  primär ernsthaft bewegt. Es geht um Beziehungen. Es ist nicht etwa die Fussballweltmeisterschaft, die am Tag zuvor ihren glanzvollen Höhepunkt hatte, und ich , mit jeder Menge Fussballphotos versehen, dachte, dass die Jungs es mir aus den Händen reissen würden, um es künstlerisch zu verarbeiten, zumal ich wusste, dass die Jungs sehr viel Sport treiben.

Nein! Bei ihren Darstellungen geht es um persönliche Beziehungen.Das Bild, das auf der homepage des Landratsamtes für diese Ausstellung wirbt, zeigt Julien mit seinem Neffen im Arm. Es war das 1. stencil das fertiggestellt wurde. Ich war tief berührt, mit welcher Hingabe und Konzentration ,  ja Herzblut  Julien die allerfeinsten Linien in die dicke Pappe geritzt hat ,und das  übrigens mit scharfem Cuttermesser und Skalpell. Und das war erst der Anfang.Voller Eifer kramten die Jungs die wenigen Photos hervor, die sie hatten.  Familienangehörige, Freunde, Nichten und  Neffen, wie gut , bzw wie bezeichnend ,dass genau am Tag vor Beginn des Projektes ein  Besuchersonntag war. Dann  wurden weitere Photos gemacht, ging es weiter im unmittelbaren Umfeld,natürlich die  Seehausmitarbeiter mitsamt ihren  Kindern. Ich spüre die Achtung, die Liebe, die sie ihnen entgegenbringen, und die auf den Bildern ihren Ausdruck findet.„Alles Gute“ schreiben sie in ein Bild, das die Hauseltern mit ihrem neugeborenen Kind darstellt, und das sie voller Stolz auf der Eingangstüre  anbringen, natürlich indem sie vorher gefragt hatten, ob sie denn das auch dürften , und ob es allen recht sei. Bei all den Bildmotiven geht  es  um Beziehungen, immer wieder Beziehungen. Ihre Freude wirkt ansteckend. Auch ich fühle mich aufgenommen in dieser grossen Familie, erfahre Anerkennung und Wertschätzung.

Übrigens war es interessant für mich zu sehen  dass zB Seehausmitarbeiter, oder Freunde, die immer mal wieder mitarbeiteten auch  andere Motive wählten., zB Musiclabels, eine Comicfigur.

Sven, Danny, Thomas und Julien suchen den Dialog.Sie schreien nicht  mehr wütend heraus, sie provozieren  auch nicht, nein,  im Gegenteil,sie setzen sich stundenlang hin und ritzen und schneiden ihre Sehnsüchte in Papier, malen und sprayen und gestalten Leinwände, später sogar das ganze Haus.

Wie finden sie  denn  nun unser Projekt ?Wir freuen uns, ,wenn sie uns  dazu ihre Meinung und ihren Kommentar schreiben. Dazu haben wir extra ein Plakat gesprayt.

Wie finden sie unser Projekt? Ich möchte sogar noch persönlicher werden und sie direkt mit der Botschaft auf meinem T shirt  konfrontieren und sie  fragen : Wie finden sie mich?   Ich  bin  einfach zu  sehr Künstler, als dass ich mir diese Gelegenheit  jetzt entgehen ließe, sie hier in der Ausstellung so anzusprechen.Ja ,wie finden sie mich ? Und wie finden sie Danny? Wie finden sie Sven ? Wie finden sie Julien ?Wie finden sie Thomas ?

Was denken sie wirklich ? Sind diese Jungs für  sie einfach Strafgefangene  , die ein bisschen Kunst machen dürfen , gefördert durch ein tolles Projekt  , womöglich finanziert mit ihren Steuergeldern ? Oder nehmen sie die Botschaft auf, versuchen mit  diesen Jugendlichen in Beziehung zu treten, sie näher kennenzulernen ? Gar in ihrer Nähe zu wohnen  zu wollen?

Gar am Hainer See ????

Genissen sie nun mit uns den Rundgang durch die Ausstellung. Wir werden ihnen gerne alle angewendeten Techniken erläutern und zum Teil auch vorführenn, und erzählen , was wir zusammen entdeckt , entwickelt und ausprobiert haben, Es hat mir sehr viel Spass gemacht. Danke dafür.

Lassen sie mich schliessen mit einem Zitat des grossen Bauhauslehrers  und Künstlers Paul Klee , der mir aus dem Herzen spricht ,wenn er sagt : „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder , sondern macht sichtbar .“

Ulrike Korn