Katholische Kirche Leipzig-Schönefeld

27.11.2016 bis 2.2.2017

„Kommet ihr Hirten ihr Männer und Fraun“. In dicken Lettern kann ich es am unteren Bildrand lesen. Ein eng umschlungenes Pärchen hat sich wohl schon auf den Weg gemacht. Zwei Figuren ganz in Weiß, die Umgebung karg. Nicht gerade romantisch, eher unwirklich. Sie kehren mir den Rücken zu, sind wohl unterwegs, auf dem Weg. Wohin des Weges,so inniglich umschlungen? Ungewisse Zukunft.

„Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Fraun. “ Ist das nicht der Anfang eines Weihnachtliedes ? Ja, das haben wir schon als Kinder gesungen. „Kommet das liebliche Kindlein zu schaun„, so geht es weiter. Aber wo ist ein Kindlein zu finden? Ich kann es nirgends entdecken.

Da fällt mir ein weiteres Lied ein: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Ich probiere es aus. Das Bild lässt sich öffnen. Zwei Flügeltüren klappe ich auf. Das Lied geht weiter: Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich“. Eine Königskrone kann ich erkennen, nicht golden und mit Diamanten besetzt, aber da ist wieder dieses fast unwirkliche Weiß. Wie majestätisch gehuldigt und gerahmt von zwei geöffneten Flügeln, ebenfalls ganz in Weiß gehalten, luftig und leicht, schwebend.

Und nun lese ich weiter am unteren Bildrand: Kommet das liebliche Kindlein zu schaun. Christus der Herr ist heute geboren“. Und es strahlt mir entgegen in leuchtendem Orange auf schwarzblauem Grund. Orange, ist das nicht die Farbe der Seraphim, die Gott loben und preisen? Meine Gedanken springen. „Goldene Lichtlein·spritzen“. Aber die Krone zieht meinen Blick hin zum Geschehen am unteren Bildrand. Ihre Konturen setzen den Bogen fort, der das Geschehen umfasst, einhüllt. Ein Lichterbogen, die christliche Botschaft in Holz geschnitzt, orangen gefasst. Die Weihnachtsgeschichte. In unzähligen Häusern leuchtet er zur Weihnachtszeit aus den Fenstern ins Dunkel hinaus. Aber hier mitten im Bild? Ich sehe Josef und Maria, dazu das Kind, „in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“.

Immer heller wird meine Erinnerung. Es ist, als ob sich mit dem Öffnen der Flügel eine neue Welt aufgetan hat. „Sein Königskron ist Heiligkeit“ singt mein Inneres das Lied weiter, und „Komm 0 mein Heiland Jesus Christ, meins Herzenstür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein“. Gnade? Het es nicht auch gnadenbringende Weihnachtszeit? Die Flügeltüren habe ich jedenfalls schon mal geöffnet. Es ist fast wie ein Geschenk auspacken. Mein Geschenk? Womit habe ich das verdient?

„Der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit“ setzt Psalm 103 noch eins drauf. Die Krone jedenfalls ist groß genug gemalt, groß genug für alle Menschen.